Mein WhatsApp-Status ist voll von Freunden und Bekannten, die im Multilevel Marketing, also im Direktvertrieb unterwegs sind.
Direktmarketing, oder eine Art des Schneeballsystems, von den Unternehmen clever verpackt, denn Schneeball darf man ja eigentlich nicht machen. Und ja, ein klassisches Schneeballsystem unterscheidet sich von daher dem Netzwerkmarketing, als das im Schneeballsystem nur die Spitze mitverdient, nicht aber die unteren Reihen. Weitere Infos dazu findest du auch in diesem Artikel: HIER entlang.
Diese Bekannten verkaufen alles: Beautyprodukte, Düfte, Fitnessprodukte, Tupperware oder Gesundheitsprodukte.
Unterschiedlichste Dinge und doch überwiegen die Nahrungsergänzungsmittel. Unter diesen sind es wiederum sehr verschiedene Anbieter und Marken. Ob Fitline, Juiceplus, Tupperware, LR Health and Beauty oder andere Marken, vertreten ist bei mir eine riesige Bandbreite an Unternehmen.
Sie alle haben allerdings etwas gemeinsam:
Alle möchten auf die ein oder andere Art und Weise, dass man „Ins Team“ kommt. „Komm in mein Team!“ rufen sie. Oder „Bau dir ein freies, unabhängiges Leben auf“ Klappt das nicht, appellieren die meisten an die eigene Gesundheit oder halt das Produkt, welches verkauft werden soll.
Klar, ist ja auch ein wichtiges Thema!
Kein Wunder, haben Produkte im Direktvertrieb doch in den letzten Jahren stark zugenommen.
Auch der Bundesverband Direktvertrieb Deutschland e.V. bestätigt mein Gefühl, dass quasi fast jeder versucht im Direktvertrieb erfolgreich zu werden: Immer mehr Menschen werden zu Direktvertrieblern:
Vielleicht kennst du ja auch noch die Staubsaugervertreter von früher? Die, die immer an der Türe klingelten und am Ende hatte man einen Staubsauger, den man gar nicht brauchte? Gut, bei uns war das zum Glück nicht der Fall, aber spätestens aus diversen US-Amerikanischen Sendungen kennt man diese.
Darum sehe ich Multilevel Marketing als kritisch
Ja, ich gebe es zu: Die Flut an Menschen aus meiner Umgebung, die in diesem Feld tätig sind, nervt mich unheimlich. Ich komme nicht umhin zu fragen, warum mich das so sehr nervt? Bin ich getriggert davon, dass auf einmal alle auf Wohlstand und Gesundheit plädieren? Alle wollen das schnelle Geld machen, aber möglichst passiv? Alle wollen am Strand „wichtige, lebensverändernde“ Telefonate führen?
Weißt du, was mir aufgefallen ist?
Alle Direktvertriebler scheinen sich ein eigenes Team aufzubauen (Klar, wenn es ab der zweiten oder dritten Stufe erst richtig gute Kohle gibt!)
Alle wollen komplett frei und unabhängig ein „eigenes Business“ führen. Aber haben Direktvertriebler wirklich ein eigenes Business?
Ich sehe das anders.
Als Direktvertriebler hast du in meinen Augen weder ein eigenes Business noch ein eigenes Team.
Ein eigenes Business würde heißen, die Person würde eigenverantwortlich handeln, Kunden suchen und Rechnungen schreiben. Ein Direktvertriebler kassiert „lediglich“ Provision. Das vergleiche ich, wie wenn ich nur noch Affiliatelinks einer speziellen Marke herausgebe und mein komplettes Business auf diese Affiliatelinks baue.
Direktvertrieb = Rechtliche Grauzone?
Obwohl MLM-Mitglieder formal als selbstständig gelten, sind sie stark von den Vorgaben der Unternehmen abhängig. Diese Arbeitsform bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone zwischen abhängiger und selbstständiger Arbeit. Die Mitglieder haben in der Regel keinen Einfluss auf Produkte, Preise oder Kommissionen und tragen aber das volle finanzielle Risiko. Diese unsicheren Arbeitsbedingungen und die mangelnde soziale Absicherung führen oft zu prekären Lebensverhältnissen. Ich denke, Direktvertriebler einzusetzen heißt oft nur Geld zu sparen für die Unternehmen: Geld für Vertriebler, die ordentlich bezahlt werden. Mit einem Grundgehalt und einer On-Top-Provision.
„Obwohl formal Handelsvertreter selbstständig, stark den sind Vorgabenm, die der Unternehmen unterworfen. So sind beispielsweise Produkte, Preise, Preisnachlässe, Kommissionen, Anwerbebedingungen und Unternehmenskultur nicht verhandelbar. Mitglieder agieren in einer Grauzone zwischen abhängiger und selbstständiger Arbeit, die auch als „abhängige Selbstständigkeit“ bezeichnet wird (Kalleberg, 2009).“
Was passiert aber, wenn das Unternehmen pleite geht? Habe ich dann noch ein Plan B? Denn als Unternehmer:in sollte man genau das haben: Ein Plan B, eine Ausweichstelle, andere Kunden und Einkommensströme.
Viel gepriesen:
Die örtliche und zeitliche Unabhängigkeit.
Klar ist man unabhängig: Man kann sich seine Verkaufsgespräche ja auch legen wie man das braucht und möchte. Wer vormittags Zeit hat, verkauft vormittags. Wer Bock auf Produktpartys hat, lässt diese Abends stattfinden. Hast du Lust dich auf die Straße zu stellen, dann machst du das. Oder wie die gehypte Omi, die mit ihren 78 Jahren immer durchs Dorf läuft und dort ihr Team aufbaut und ihre Produkte an Mann (oder die Frau) bringt.
Aber meines Erachtens hat das rein gar nichts damit zu tun, wirklich selbstständig zu sein, oder ein Unternehmen zu führen. Man ist lediglich einem Unternehmen verpflichtet, das dieser Person am Ende noch nicht mal ein Basisgehalt zahlen muss.
Lediglich eine wohlkalkulierte Provision ist fällig. Dafür muss sich das Unternehmen nicht mehr um Marketing kümmern. Diese Kosten werden einfach umgelegt.
Und voilà: Habe ich billige Arbeitskräfte, denen ich als Unternehmen nichts schuldig bin. Alles getarnt im Deckmantel der Teams, der Zoom-Calls zur Persönlichkeitsentwicklung und der Happenings am Strand, an denen sich gegenseitig gepusht und gut zugeredet wird.
Ja, es gibt Ausnahmen. Die, die sich in einer Branche gut auskennen und eine ganze Palette an Unternehmen im Portfolio haben. Aber das sind echte Raritäten am Markt. Ja, es gibt auch die HAndvoll Menschen, die von den Einnahmen und Provisionen leben kann. Die aber sind wirkliche Verkäufer. Also VERKÄUFER. Verkaufen muss man wollen und fällt nicht einfach so zu. Und den kompletten Freundeskreis mit Produkten zubomben ist kein VERKAUFEN.
Glaube ich einem Wiederverkäufer, wenn dieser mir verspricht, wie wohl ich mich fühlen werde in 3 Monaten, wenn ich nur diese Produkte nehme?
Sicherlich nicht. Ich glaube ja auch nicht alles, was auf jeder x-beliebigen Seite im Netz steht. Und diese Verkäufer sind nur eine offline-Landingpage.
Erfolgsquoten und Risiken
Viele Menschen steigen in MLM-Unternehmen ein, um neben- oder hauptberuflich Geld zu verdienen, aber die Realität sieht oft anders aus. Studien zeigen, dass viele MLM-Mitglieder mehr Geld verlieren als verdienen. Eine repräsentative Studie für die USA ergab, dass fast die Hälfte aller Mitglieder mehr investiert, als sie verdient, während nur 12,2 % während ihrer gesamten Mitgliedschaft mehr als 5.000 US-Dollar verdienen konnten. Dies führt zu hohen Abbruchraten, da die meisten Mitglieder innerhalb eines halben Jahres wieder aussteigen, enttäuscht von den unerfüllten finanziellen Erwartungen.
Gerade dann, wenn ich mit dem, was ich da vertreibe, in Vorleistung gehen muss und die Produkte erst kaufen muss, um sie dann weiterzuverkaufen.
Soziale Beziehungen instrumentalisieren
MLM-Unternehmen nutzen häufig soziale Beziehungen, um ihre Produkte zu verkaufen und neue Mitglieder zu rekrutieren. Freunde und Familie werden als erste Verkaufsziele betrachtet, was zu Spannungen und möglicherweise dem Verlust dieser Beziehungen führt, wenn die finanziellen Erwartungen nicht erfüllt werden. Dies kann das Vertrauen und die sozialen Bindungen erheblich belasten. Das passiert immer dann, wenn man zuerst versucht, seine Produkte im Freundeskreis zu verkaufen. Klar, das ist ja auch „einfach“. Ich bin begeistert, also sollen auch meine Freunde begeistert sein, oder?
Manipulieren und motivieren. Oder doch eine Sekte?
MLM-Unternehmen setzen stark auf emotionale Manipulation. Sie werben mit Versprechungen von Wohlstand und Freiheit, oft untermauert durch Bilder von Luxusgütern und einem vermeintlich glamourösen Lebensstil in sozialen Medien. Diese Taktiken zielen darauf ab, die Hoffnungen und Träume der Menschen zu nutzen und sie zum Beitritt zu motivieren. Gleichzeitig spielt die Motivation der MLM-Mitglieder eine zentrale Rolle in der Anerkennungskultur innerhalb dieser Unternehmen. Erfolgreiche Mitglieder werden öffentlich gelobt und belohnt, was oft die fehlende finanzielle Belohnung ersetzt. Diese Anerkennung kann die tatsächliche Prekarität der Arbeit verschleiern und dazu führen, dass Mitglieder länger im System bleiben, als es finanziell sinnvoll wäre. Mann wird in Zoom-Calls gezogen, in den Whatsapp-, Telegram- oder Signalgruppen wird gepusht, was geht. Reels werden geteilt, die Vorteile des Produktes oder des Teamaufbaus krass vermarktet. Die Mitglieder werden systematisch in den Bann des Unternehmens gezogen. Würde man diese Art der „Motivation“ in den sozialen Medien oder ausserhalb der MLM-Welt machen, würde man als manipulativ bezeichnet, als krasser Vermarkter, als jemand, der nur verkaufen möchte, den man überhaupt nicht leiden kann. Aber einmal intern dabei, zieht das System. Und es wirkt auf mich oft wie eine Sekte und nicht wie eine Marketingveranstaltung. Ähnlich den großen Speakern aus den USA, wie Tony Robbins, die mit ihren Speeches tausende in den Bann ziehen, aus denen man Brain-washed herausgeht.
Wenn sie doch wenigstens verkaufen könnten …
Was mich am meisten nervt ist nicht nur die Tatsache, dass hier den leuten vorgekaukelt wird ein eigenes Business aufbauen zu können, unter Einsatz von wenig Aufwand. (Simply not true!) aber auch der Tatsache, dass gerade im Gesundheitsbereich wenig evodenzbasiert gearbeitet wird. Es werden Reels geteilt von Menschen, die sagen: „Kaffee ist Gift“. Oder „Alle sind unterversorgt mit Nährstoffen“. Dabei ignorieren sie gängige Studien oder die Empfehlungen offizieller Organisationen. Wenn es Studien gibt, werden diese sorgfältigst ausgewählt und instrumentalisiert.
Ein bisschen wie die Pampers-Studie dazu, dass Neugeborene nicht über die nötigen Muskeln verfügen, um „trocken“ zu sein. Deshalb sind ja Windeln so wichtig.
Gibt es Alternativen?
Versteh mich nicht falsch: Ich kann sehr gut nachhvollziehen, dass die Menschen versuchen aus dem gängigen System auszusteigen, dass sie nach Alterbativen suchen. Alternativen zum Einkommen aber auch der Gesundheit.
Aber ein Business aufzubauen, also ein echtes Business, nicht in Abhängigkeit zu einem Unternehmen sein, erfordert Zeit und Mühe. Ich muss an alle möglichen Steuern denken, an Rücklagen, an Marketing, an Tools, an Vertrieb, an Weiterbildung etc.
Es gibt zahlreiche Alternativen zum MLM, die weniger riskant und transparenter sind. E-Commerce und Dropshipping ermöglichen es, ein eigenes Online-Geschäft zu betreiben, ohne große Anfangsinvestitionen, auch wenn beides in den sozialen Median zwar gehyped wird, aber man hier auch echt lange benötigt, um gut zu werden. Freelancing bietet flexible Arbeitsmöglichkeiten, die unabhängig von MLM-Strukturen sind. Auch Affiliate-Marketing stellt eine gute Alternative dar, bei der durch Produktwerbung Einnahmen generiert werden können, ohne dass ein großes Netzwerk aufgebaut werden muss.
Zu guter Letzt appelliere ich an alle, die im Multilevel Marketing unterwegs sind: Bitte, bitte probiert doch Strategien aus, die andere eurer „Teammitglieder“ nicht verwenden. Überall sehe ich genaudieselben Posts, mit denselben Aussagen. Völlig unabhängig von der Firma. Ihr dürft neue Verkaufswege beschreiten. Seid bitte keine Copy-Cats!
PS: Möchtest du als Direktvertriebler gerne Content-System aufbauen, dann melde dich bei mir und buche dir noch heute ein Erstgespräch oder schau hier vorbei, was ich alles so anbiete!
0 Kommentare